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Galerie Karin Günther, Hamburg, 10.11.22 – 21.01.23
Die Ausstellung besteht aus drei Gruppen von Arbeiten die den Galerieraum beinahe gänzlich ausfüllen. Trotz ihrer visuell sehr unterschiedlichen Wirkungsweisen und Dimensionen, ergeben sich eine Reihe von Beziehungen zwischen ihnen.
Den Hinter- und Untergrund der Ausstellung bildet eine mit überlebensgroßen Comic- Figuren bedruckte, auf dem Galerieboden auslaufende Tapete. Es handelt sich um Werbefiguren, die verschiedene Arbeiten, Dienstleistungen und Waren verkörpern. Man sieht diese Art von Figuren gelegentlich auf Handwerkerautos oder Firmenschildern. Die Motive der Tapete beruhen auf digital nachgezeichneten Fotos. Die extreme Vergrößerung und Schieflage, lässt ihre Niedlichkeit zu so etwas wie Gegenden mutieren.
Über die Tapete und den gesamten Raum hinweg, verteilt sich horizontal auf Augenhöhe, eine Reihe von Bleistiftzeichnungen. Auf ihnen sind detailreich ausgeführte Straßenszenen zu sehen. Im Zentrum befinden sich meist eine, manchmal mehrere Figuren. Nicht selten handelt es sich dabei um Straßenhändler*innen aber auch Bettler*innen, Passant*innen und Wartende sind vertreten. Sie haben den Bürgersteig unter sich aufgeteilt und warten auf Austausch.
Auf den auf dem Boden auslaufenden Teilen der Tapete ist ein Haufen Müll großflächig verteilt und in Gruppen angeordnet. Es sind Fundstücke die ich über Jahre auf der Straße gefunden und mitgenommen habe und die nach und nach zu Sammlungen angewachsen sind. Attraktiv erscheinen häufig bis zur Unkenntlichkeit und Dysfunktionalität erodierte Gegenstände deren Gebrauchsgeschichte auch eine der Gewalteinwirkung ist. Genauso häufig aber auch einfaches Gerührtsein durch abgebrochene Teile. Ausgelaufene Batterien sind seltener als abgerissene Waschetiketten und häufiger als abgebrochene Fahrradständer.
Der Müll ist teils beiläufig, teils sorgsam auf den auf dem Boden auslaufenden Berufsbildern verteilt. Einzelne Objekte, Haufen und Reihen kolonisieren ihre Gliedmaßen, Köpfe
und Organe wie Parkplätze. Es entstehen weitläufige Auslagen die etwas von ruinösen Landschaften haben.
Aufgrund ihrer ungeschützten Exponiertheit im Straßenbild, veranschaulichen Straßenhändler*innen für mich auf besondere Weise, das Gefühl von Abhängigkeit und
das des Ausgeliefertseins. Abhängigkeit von Arbeit, Einkommen und von Gegenständen als Ballast der einen an einen Ort bindet und nicht davonkommen lässt. Ganz im Gegensatz zur eleganten Mobilität der vorbeigleitenden Passant*innen, die aber nur an anderen Stellen der Stadt an eine Heizung angekettet sind.
Über alles wuchern Schichten und Sedimente von Zeichen, Bildern, Texten und Grafiken, rendern Straßen, Gebäude, Kleidung, Tüten und Körper. Alles ist überzogen von den Aufschriften einer rauschhaften Form- und Materialverausgabung und zu großen Teilen sind sie das Ergebnis ungelernter Gestaltung und ebenso schlecht bezahlter Arbeit.