If the phone doesn’t ring, you know it’s me

If the phone doesn’t ring, you know it’s me

Krome Gallery, Berlin, 2015

 

Installationsansicht

 

 

 

Rauch 2, 2013, Siebdruck, Lack, Aludibond, verchromtes Stahlrohr,
Stahlplatten, Schlauchschellen, 280 x 210 x 200 cm

 

 

 

Rauch 2, 2013, Siebdruck, Lack, Aludibond, verchromtes Stahlrohr,
Stahlplatten, Schlauchschellen, 280 x 210 x 200 cm

 

 

 

Ohne Titel (Großer Phönix I), 2013 , MDF, Pigmentdruck, Stahlplatten, Magnete, Foldback clips, 200 x 200 x 120 cm

 

 

 

Ohne Titel (Großer Phönix I), 2013 , MDF, Pigmentdruck, Stahlplatten,
Magnete, Foldback clips, 200 x 200 x 120 cm

 

 

 

Ohne Titel (Großer Phönix I), 2013 , MDF, Pigmentdruck, Stahlplatten,
Magnete, Foldback clips, 200 x 200 x 120 cm

 

 

 

Ohne Titel (Großer Phönix I), 2013 , MDF, Pigmentdruck, Stahlplatten,
Magnete, Foldback clips, 200 x 200 x 120 cm

 

 

 

Ohne Titel (Großer Phönix I), 2013 , MDF, Pigmentdruck, Stahlplatten,
Magnete, Foldback clips, 200 x 200 x 120 cm

Fotos: Martin Bilinovac

 

Eine Art anwesende Abwesenheit von Skulptur

Michael Hakimis Arbeit bewegt sich an den Schnittstellen von Medium, Form und Bedeutung. Als solche lässt sie sich nicht eindeutig einer der Kategorien von Malerei, Skulptur oder Installation zuordnen, vielmehr arbeitet sie gerade an und mit diesen Kategorien. Skulpturale, bildhafte und installative Momente überlagern einander und bilden damit einen Nexus, der sich den phänomenalen, kontextuellen und diskursiven Bedingungen ästhetischer Reflexion gegenüber öffnet. Die aktuelle Ausstellung besteht aus zwei Gebilden, die man Skulpturen nennen und installativ miteinander im Zusammenhang sehen könnte, aber nicht unbedingt muss. Das eine bezieht sich auf eine modernistische Skulptur der 1960er Jahre, Bernhard Heiligers „Phönix II“, die 1965 vor dem Eingangsbereich des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg aufgestellt wurde; das andere stellt in Form einer frei im Raum stehenden und an einer Art von Stativ befestigten „shaped canvas“ eine Rauchschwade dar, einen überaus flüchtigen Gegenstand mithin, den man schwerlich mit klassisch skulpturalen Qualitäten in Zusammenhang bringen kann. In beiden Fällen dient die Fotografie als Ausgangsmedium einer Remediation, in der spezifische Gattungsfragen ebenso wie deren formale und inhaltliche Resonanzräume verhandelt werden.

Skulptur zeichnet sich traditionell durch eine besondere Präsenz aus, sowohl hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ihrer Materialität als auch bezüglich ihrer Präsentationsform etwa auf einen hervorgehobenen Standort hin bezogen. Damit werden gleichzeitig ein Raum und ein überzeitlicher Anspruch markiert bzw. mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. Moderne Skulptur hat an diesen gattungsspezifischen Qualitäten weitgehend festgehalten, auch wenn die Abstraktion die inhaltliche, herrschaftslegitimierende Funktion vielfach diffus werden lies. Erst in den minimalistischen und post-minimalistischen Arbeiten seit den 1960er Jahren werden programmatisch der besondere Standort und das exquisite Material der Skulptur aufgegeben zugunsten des emphatischen Versprechens eines „erweiterten Feldes“, in dem Skulptur endlich demokratisch, partizipativ und somit wahrhaft öffentlich werden sollte. Doch zeigt sich immer deutlicher, dass dieser Gewinn nie wirklich eingefahren werden konnte und eher eine Verschiebung hin zu zwar in sich durchaus offenen, aber nach außen hin dennoch abgezirkelten installativen Konstellationen zu verzeichnen wäre, mithin die anwachsende Ausrichtung an einer fragmentierten Kunstöffentlichkeit und damit letztlich sogar ein Verlust an Öffentlichkeit und Bedeutung insgesamt.

Hakimis Arbeit aktualisiert dieses Problem. Sie liefert weder eine Lösung im Sinne einer Überschreitung noch im Sinne einer Rückkehr zur Skulptur; vielmehr zeigt sie Skulptur als eine vielfach untertheoretisierte, in ihrer autoritären Befindlichkeit durchaus befangene Kategorie, die gleichzeitig jedoch voller Potenziale hinsichtlich ihrer formalen, öffentlichkeitskonstitutiven sowie allegorischen Möglichkeiten steckt. Diese können jedoch nicht einfach behauptet werden; sie müssen in der Differenz zwischen Medium, Form und Inhalt erst bearbeitet und somit als jener Spielraum ausgewiesen werden, in dem die Skulptur gleichzeitig als unmöglich und als möglich erscheinen kann.

Die aus mehreren Ansichten der Skulptur von Bernhard Heiliger montierte fotografische Bildfläche wird durch die Faltung des Bildträgers in eine völlig neue Form gebracht, die nun weniger mit Heiligers expressiv-symbolischer, sich von einem Punkt aus nach oben hin öffnender Geste als mit den Bewegungen der Betrachtenden vor und rund um die Skulptur zu tun hat. Der aus diesem wellenartigen Bewegungsfluss entstehende „Paravant“ ergibt ein neues Objekt, das wiederum von einem Kartonrohr durchstoßen wird. Dieses stabilisiert und durchkreuzt das Gebilde gleichzeitig; es kann sowohl als Abfluss entsprechend der deutlich als Patina sichtbaren Witterungsspuren auf Heiligers Skulptur als auch als Ausblick, vielleicht auf ein Anderes von Skulptur gesehen werden kann. Heiliger hatte seine Arbeit selbst wohl als dynamischen Ausdruck einer Verwandlung von Tod in neues Leben, gleichsam als eine nationale Allegorie hinsichtlich der „Auferstehung“ der Bundesrepublik nach dem Krieg verstanden. Indem Hakimis Gebilde in einer doppelten, fotografischen wie skulpturalen Bewegung darum kreist, artikuliert sie in erster Linie Distanz zu jenem Pathos, aber auch eine gewisse Faszination bleibt spürbar. Es geschieht eine Art Umdeutung mit den Mitteln der Einverleibung, die sich weder als Frage nach einer möglichen Spezifik von Skulptur noch als pure Rekonstruktion einer heroischen Moderne verstehen lässt. Vielmehr öffnet sich das Objekt als ein ebenso rezeptives wie reflexives Medium auf eine Serie von Fragen hin: nach dem grundlegenden Verhältnis von Form und Sehen, nach der Vergleichbarkeit der Standorte der beiden „Skulpturen“ und den damit implizierten jeweiligen Betrachterpositionen, aber auch nach den möglichen öffentlichkeitskonstitutiven Funktionen und allegorischen Bedeutungshorizonten von Kunst.

Auf ähnliche Weise führt auch das zweite Objekt inhaltliche Konnotationen und formale Bezüge zueinander. Die aus drei Metallstäben bestehende Stütze des Bildträgers etwa lässt sich sowohl in seiner konstruktiv-statischen, aber auch in seiner bildhaften Funktion lesen, als eine Art von Feuerstelle, aus der der Rauch, den die Bildtafel zeigt, emporsteigt. Die Bildform scheint weitgehend dem Bildgegenstand, den Rauchschwaden, nachgebildet; und selbst dort, wo die Gegensätze scheinbar zugespitzt werden wie zwischen der flüchtigen und „immateriellen“ Form des Rauchs und der Härte des metallischen Gestells, oder zwischen den bildhaften Vorder- und der konstruktiv-skulpturalen Rückseite, bleiben die Kategorien letztlich aufeinander bezogen: beide Seiten öffnen sich dem Spielraum zwischen buchstäblicher und metaphorischer Lesart, zwischen indexikalischen und symbolischen Zeichen, in dem letztlich nichts als fixierbar erscheint und die Kategorien von Bild und Objekt, Vorder- und Rückseite, Materialität und Phänomenalität sich kontinuierlich miteinander austauschen.

Es ist vor allem das labile Gleichgewicht, das die beiden Motive: die Skulptur von Bernhard Heiliger und die Rauchschwade miteinander vermittelt. Es verweist auf den punktuellen, skulpturalen und bedeutungsschwangeren Standort der traditionellen Skulptur, den Hakimi in seinen beiden Arbeiten aufruft ohne ihn zu bestätigen oder zu überwinden. Vielmehr überführt er ihn einerseits aus der heroischen Eindeutigkeit heraus in eine Vielzahl von ambiguen Lesarten, andererseits in eine vielschichtige, installative Beziehungslogik. In der Sichtachse vom Schaufenster aus, überschneiden sich beide Gebilde und artikulieren so eine Gleichzeitigkeit von Autonomie und Bezogenheit. Es ist nicht mehr die skulpturale Rundansicht, die den hervorragenden Standort der Skulptur definierte, sondern ein dominantes Sichtfeld, das begehrbar und als solches erforschbar bleibt. Die dabei entstehende Öffentlichkeit ist nicht mehr die emphatische, allumfassende und repräsentative Öffentlichkeit der Moderne, sondern eine Öffentlichkeit unter den Bedingungen des Schaufensters, das heißt eine zwar expansive, aber eben doch differenzierte und selektive Kunstöffentlichkeit, die sich erst in der Differenz der Kategorien und den damit gegebenen unterschiedlichen Erfahrungsmöglichkeiten konstituieren kann. Ihre Anwesenheit zeigt die Abwesenheit einer anderen Idee von Skulptur und von Öffentlichkeit an und kann als solche daher nur in einer Art von Gewinn- und Verlustrechnung adressiert werden.

Helmut Draxler