Modern Taking

Modern Taking

Krome Gallery, Luxembourg 2015

 

Installationsansicht, schwarzes Fotoghintergrundpapier, Sprühlack, Acryllack, Leinen, Jute, Keilrahmen

 

 

 

 

Installationsansicht, Sprühlack, Acryllack, Leinen, Jute, Keilrahmen, Piezo Pgment Print, Photo Rag, Alu Dibond, gerahmt

 

 

 

 

Installationsansicht, Sprühlack, Acryllack, Leinen, Jute, Keilrahmen

 

 

 

Installationsansicht, Sprühlack, Acryllack, Leinen, Jute, Keilrahmen

 

 

 

 

Rollgitter, 2015, Sprühlack, schwarzes Fotohintergundpapier, Masse variabel

 

 

 

 

Welcome-Center, 2015, Piezo Pigment Print, Photo Rag, 67 x 35 cm

 

 

 

 

Welcome-Center, 2015, Piezo Pigment Print, Photo Rag, 67 x 35 cm

 

 

 

 

Installationsansicht,
Piezo Pigment Print, Photorag, Fotohintergrundpapier, Sprühlack, Acryllack, Leinen, Jute, Keilrahmen

 

 

 

 

Installationsansicht, Yalla,Yalla! 2015, Piezo Pigment Print, Photo Rag

 

 

 

 

Yalla, Yalla, Piezo Pigment Print, 2015, Photo Rag, Alu Dibond, gerahmt, 65 x 45 cm

 

 

 

 

Zebra, 2015, Sprühlack, Acryllack, Jute, 95 x 70 cm

 

 

 

 

Zip, 2015, Sprühlack, Acryllack, Jute, 103 x 69 cm

 

 

 

 

Knoten, 2015, Sprühlack, Acryllack, Jute, 100 x 70 cm

 

 

 

 

Wappen, 2015, Sprühlack, Acryllack, Jute, 69 x 63 cm

 

 

Modern Taking

Abstraktion ist niemals vollständig. Vielleicht war sie es einmal, in moderneren Zeiten, als an sie noch die Utopie einer zukünftigen Rekonstruktion der Menschheit geknüpft war. In der Gegenwart, in der diese Rekonstruktionen der Menschen zu Hauf in der unüberwundenen Vergangenheit liegen, ist Abstraktion immer ungenügend. Die jüngste, die digitale, die algorithmische Rekonstruktion des Menschen, ließ noch ihn selbst zur Abstraktion werden, die nun in stetiger Ungleichheit zu ihrem menschlichen materiellen Rest, existiert. Der Abstraktion kam die Hoffnung auf ihre Realisierung abhanden. Sie wurde historisch schief. In Michael Hakimis Arbeiten wird diese Schieflage zum Ausgangspunkt einer Rekonstruktion. Abstraktion tritt hier nicht länger an die Figuration aufzuheben, sondern kehrt stattdessen ihre angesammelten Symbolismen nach Außen: denn jede noch so einfache Form ähnelt ihren kulturellen Funktionen, ihrem Leben als Werbeträger, als Logo, als Markenname, als Gimmick, als Icon, als Müll. Abstraktion kippt um in Assoziation.

Hakimis „Modern Taking“ fächert dieses symbolistische Leben der Abstraktionen auf, und die allgegenwärtige Digitalität unserer Gegenwart liefert ihm hierfür den Bodensatz. Die mal als Horror mal als Versprechen vorgetragene Einsicht, dass das materielle Leben heute seiner digitalen Form nachgeordnet sei, verliert bei Hakimi ihren moralischen Unterton. Die beiden kleinformatigen Pigmentprints „The world doesn’t need me“ und „Yalla“ (beide 2015), die Hakimi mit dem Illustrator produziert, erinnern an seine Inkjet Prints aus den frühen 2000ern. Auch sie setzten sich aus synthetischen Formen zusammen, vertikal angeordnete ornamentale Schnittstellen von Abstraktionen und Figurationen. Aber während Hakimis großformatige frühe Computerbilder strickt zweidimensional auftreten, wie Plakate einer noch nicht realisierten Bewegung, erscheinen die neuen, ikonenhaft kleinformatigen Illustrator Zeichnungen eher wie dreidimensionale Türme aus bereits Verlebtem. Eine Art visueller Appendix der digitalen Nachwelt, eine abstrakte Anhäufung symbolistischer Figurationen. Doch wo etwa die Symbolismen der Surrealismen des frühen 20. Jahrhunderts immer auch das Unbewusste ihres Autors als persönliche Verkehrung des Gesellschaftlichen vorstellte, invertieren sich diese Massstäbe bei Hakimi. Surreal wirken seine Ikonen, weil das Unbewusste, die Tagesreste die hier aufgestapelt werden, dem digitalen Zeichenprogramm entspringen: ihre Formen sind generisch und es ist eben diese generische Qualität, die sie im Zentrum dessen verortet was heute als Persönliches auftritt. Hakimi setzt keine Abstraktionen vom Persönlichen, sondern Abstraktionen des Persönlichen zusammen.

In der Serie aus schwarzen Jute und Leinenbildern, in „Scheibenwischer“, „Pyramide“, „F“ und „Spirale“ (alle 2014), kehrt dieses Verhältnis in Form eines seriell inszenierten Abdrucks zurück. Doch der Abdruck, klassisches Erkennungsmotiv des Malerischen, der mit Isabelle Graw bis heute die Identifizierbarkeit einer Arbeit als Malerei gewährleistet, wird von Hakimi wieder von seiner unmittelbaren Identifikation mit dem Künstler abgelöst. Hakimi performt nicht sein eigenes Erscheinen durch das Bild, sondern wird selbst, mit Schablone und Sprühlack, zum Vehikel eines Abdrucks der Formen, er wird ihr Medium. Die Formen die sich auf dem grobmaschigen, mit schwarzem Acryllack überzogenen Oberflächen seiner Bilder abzeichnen. sind auch hier wieder Grundformen die in unterschiedliche Travestien ihres symbolischen Gehalts hinübergleiten; Dreiecke als Pyramiden Rechtecke als Reißverschlüsse, Trapeze als Scheibenwischer …. Doch hier bleiben sie isoliert. Freigestellt, und durch den Goldton veredelt, kehren diese vereinzelten Symbole die Inversion von Abstraktion und Figuration wieder um: sie demonstrieren, dass jede dieser Figurationen in der Isolation wieder rudimentär wird, dass in ihr eine Abstraktion liegt, dass ihr symbolistisches Auftreten nur auf der unmittelbaren Ebene des ersten Blicks figürlich ist. Im zweiten Blick entpuppen sie die goldenen Formen auf der rauen Oberfläche als Abstraktionen deren Figurationen nur vorläufig sind. Gerastert durch den groben Stoff, nahezu körperlos durch den dünnen, goldenen Sprühlack können sie mit jedem Farbauftrag ihre Assoziation verändern, ihre Körper biegen und ihre Figuration abgeben. In Hakimis ikonischen Panoramen verlieren Figuration und Abstraktion ihre Trennschärfe und reißen die klare Unterscheidung zwischen Persönlichem und Gesellschaftlichem mit sich. „Modern Taking“ geht von einer digitalisierten Welt aus deren Formenkanon im Plural ihrer Vergangenheiten, ihrer Symbolketten und Assoziationsleistungen liegt, und setzt von hier aus zur Gestaltung an.

Kerstin Stakemeier